Daniela Kolbe ist stellvertretende Vorsitzende beim DGB Sachsen und dort u.a. für das Thema Strukturwandel verantwortlich.
Daniela, im Mai 2021 ist die Förderrichtlinie für die sächsischen Braunkohlereviere in Kraft getreten. Was ist dein Zwischenfazit angesichts der Mittelvergabe und Projektauswahl im Mitteldeutschen Revier?
Für uns als DGB steht im Mittelpunkt, dass mit dem vielen Geld die Voraussetzungen für tarifgebundene und mitbestimmte Arbeitsplätze geschaffen werden. Unser Ziel ist es, dass das Neue schon da ist, bevor das Alte, also die Braunkohleverstromung, verschwindet. Bisher fällt unser Fazit ernüchternd aus. Zu Beginn wurden durch den damit möglichst
viele innovative und tarifgebundene kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Mittel nutzen können? aber auch von Landesseite vor allem Projekte bewilligt, bei denen man ein Fragezeichen daransetzen kann, ob sie helfen, das oben genannte Ziel zu erreichen. Es ist nachvollziehbar, dass Kommunen und Land mit dem Geld auch Projekte verwirklichen, die sie schon lange in Planung hatten. Bei den Strukturwandelgeldern geht es aber um etwas anderes. Andererseits ist in letzter Zeit zu beobachten, dass nunmehr auch Projekte in die Beratungen kommen, die unseren Ansprüchen eher genügen. Dieser Weg muss mit mehr Energie weitergegangen werden.
Öffentlich fordert der DGB mehr Transparenz und proaktive Kommunikation bei der Strukturwandelförderung in Sachsen. Kannst du das näher ausführen?
Wenn selbst aktive Betriebsräte in den Braunkohlerevieren nicht wirklich sagen können, was mit den Braunkohlegeldern passiert, dann läuft etwas falsch. Natürlich ist es schwer, ein Bild von einer Zukunft zu vermitteln, die gerade erst am Entstehen ist. Aber genau das muss passieren, wenn die Menschen mit einer positiven Grundstimmung an die vor ihnen liegenden Veränderungen gehen sollen. Außerdem funktioniert Veränderung nur dann, wenn die Betroffenen auch Beteiligte sind und ihren Erfahrungsschatz mit einbringen können. Aber auch die stimmberechtigte Einbeziehung von Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Akteuren in den RBA halten wir für äußerst wichtig.
Sachsens Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt hat in einem Zwischenfazit im November 2022 gesagt, er sehe „das Land beim Kohleausstieg im Zeitplan“. Bewertest du das auch so?
Spannend ist ja: Welchen Zeitplan meint er? Derzeit warten wir gespannt darauf, wie die Bundesregierung mit der Formulierung im Koalitionsvertrag umgeht, dass der Kohleausstieg „idealerweise“ schon 2030 stattfinden soll. Wir bleiben dabei: Für uns sind die Ergebnisse der Kohlekommission bindend. Transformationsprozesse brauchen nicht nur Zeit, sie brauchen auch Planbarkeit. Was die Mittelverausgabung angeht, sehen wir, dass erschreckend viele Mittel schon gebunden sind und sehr viele Projekte womöglich aber gar nicht soweit sind, in der ersten Förderperiode auch umgesetzt und abgerechnet zu sein. Insofern setzen wir hinter die Behauptung des Ministers gleich mehrere Fragezeichen.
Mit dem Ende der Kohle steht die für die Bundesrepublik einzigartige Montanmitbestimmung auf dem Spiel. Wie kann deiner Meinung nach die für Arbeitnehmer*innen starke Form der Mitbestimmung gesichert werden? Welche Ideen hast du?
Erstmal freue ich mich, dass die großen Braunkohleunternehmen massive Anstrengungen unternehmen, sich für die Zukunft ohne Braunkohle fit zu machen und insbesondere in die Erneuerbaren Energien einsteigen. Das macht Lust auf mehr. Leider werden die zukünftigen Unternehmen aber womöglich nicht mehr montan-mitbestimmt sein. Das halten wir für problematisch. Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie diese energieerzeugenden Unternehmen auch weiter stark mitbestimmt bleiben. Die Mitbestimmung hat den Unternehmen in den letzten Jahren immer gutgetan.
Stell dir vor, wir sind in dem Jahr angekommen, in dem die Kohleverstromung endet. Wie sieht für dich im Idealfall ein gelungener Strukturwandel aus?
Stell dir vor, es wird keine Braunkohle mehr verstromt und trotzdem laufen die Menschen im Revier mit einem Lächeln auf den Lippen herum, weil sie weiter gesicherte, gut bezahlte Beschäftigung in Industriebetrieben in der Region haben, und zwar in Betrieben, die Teil der Problemlösung der Klimakrise sind, weil sie Erneuerbare Energien produzieren, grünen Wasserstoff zur Verfügung stellen oder nutzen, nachhaltige chemische Produkte herstellen oder neue, nachhaltige Produktkreisläufe schließen. Das spannende ist: Das ist alles machbar!
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte das Revierwendebüro Pegau.