Stand und Perspektiven des Strukturwandels – Nachgefragt: Susanne Wiedemeyer

 

Susanne Wiedemeyer ist stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirks Niedersachsen – Bremen – Sachsen-Anhalt und Landesleiterin Sachsen-Anhalt.

Foto: DGB-Bezirk Niedersachsen – Bremen – Sachsen-Anhalt

 

Susanne, am 11. Oktober 2022 kam doch verhältnismäßig überraschend die Meldung, dass es zwischen den Landkreisen und der Stadt Halle (Saale) eine Vereinbarung zur Verteilung der Fördergelder im Rahmen des Braunkohleausstiegs gibt. Wie verhält sich der DGB dazu?

Grundsätzlich ist eine Budgetierung nach Betroffenheit zu befürworten. Die derzeit noch aktiven Tagebaue Profen und Amsdorf befinden sich im Burgenlandkreis bzw. in Mansfeld- Südharz. Daher ist es auch richtig, dass hier im Verhältnis mehr Geld hinfließt. Außerdem gibt die Reviervereinbarung den Landkreisen und der Stadt Halle Planungssicherheit für die nächsten Jahre und beendet das Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Nun müssen die Mittel im Sinne der Beschäftigten genutzt und gute Projekte zügig umgesetzt werden. (1)

Was läuft beim Strukturwandel in Sachsen-Anhalt gut und wo gibt es aus Sicht des DGB noch Verbesserungsbedarf?

Durch den Kohleausstieg verliert die Region Arbeitsplätze mit guter Bezahlung, tariflichem Schutz und betrieblicher Mitbestimmung. Hierfür brauchen wir gleichwertigen Ersatz, nicht einfach irgendwelche Arbeitsplätze mit deutlich schlechteren Bedingungen. Von neuen hochwertigen Arbeitsplätzen müssen die Menschen im Revier profitieren. Auch die Bemühungen um bessere Lebensbedingungen im Revier müssen sich an den Wünschen der Menschen vor Ort ausrichten. Grundsätzlich ist es gut, dass die Entscheidungen für förderwürdige Projekte in den Landkreisen getroffen werden. Es kann nicht aus Magdeburg oder Berlin heraus entschieden werden, was im Revier benötigt wird. Mit dem Revierausschuss wurde auf Landesebene ein Gremium geschaffen, in dem unter Beteiligung der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft die großen Leitlinien des Strukturwandels gemeinsam beraten werden. Und jetzt kommt unser großer Kritikpunkt: Unterhalb der Landesebene muss die Beteiligung noch deutlich ausgebaut werden. Die Menschen im Revier wollen mitreden und mitgestalten. Deshalb hat der DGB das Revierwende-Projekt initiiert. Damit dieser Strukturwandel gemeinsam gut gestaltet wird.

Am 21. Oktober 2022 fand in Naumburg die Auftaktveranstaltung zum ‚Just Transition Fund‘ (JTF) statt. Was hat es mit diesen Geldern auf sich?

Aus dem JTF können Unternehmen direkt gefördert werden. Das war aus den bisherigen Fördertöpfen für den Revierumbau nicht möglich. Die direkte Unternehmensförderung ist wichtig, um auch zukünftig Industriearbeitsplätze im Mitteldeutschen Braunkohlerevier zu halten und zu stärken. Wir fordern, dass bei der Vergabe von JTF-Förderung das Kriterium Gute Arbeit im Mittelpunkt steht, und das heißt für uns: Vorrang für Unternehmen mit Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung.

Welche Aspekte sind mit Blick auf die Zukunft noch wichtig?

Der Strukturwandel im Revier ist kein reines Männerthema. Wir brauchen attraktive Zukunftsperspektiven für gut ausgebildete junge Frauen, damit sie in der Region bleiben. Das Thema Gleichstellung hat es als Querschnittsaufgabe in das Strukturentwicklungsprogramm des Landes geschafft. Nun dringen wir gemeinsam mit dem Landesfrauenrat auf eine ernsthafte Umsetzung. Das gilt generell für die Beteiligung von jungen Menschen. Wir wollen, dass junge Menschen nicht nur gehört werden, sondern dass für ihre Vorschläge auch Fördermittel eingeplant werden. Wir werden im Revierausschuss und in der Landespolitik den Finger in die Wunde legen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte das Revierwendebüro Halle
(Saale).

 

(1) Wie die Mitteldeutsche Zeitung am 31. Januar berichtet, hat der Saalekreis die ausgehandelte Aufteilung der Fördergelder noch nicht unterzeichnet.

(Stand: 01.02.2023)

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