Im Themenforum Fachkräfte der Zukunft – Welche Bildungsbausteine für Aus- und Weiterbildung machen die Reviere fit für den Wandel? diskutierten Timothy Fitschen (Bereichsleiter Rheinisches Revier der Agentur für Arbeit Bergheim), Kai Buchwald (DB Fahrzeuginstandhaltung und Projektleiter im Werk Cottbus) und Katja Müller (Leiterin Personaltransformation bei der LEAG) zusammen mit Hilmar Preuß (Revierwendebüro Halle) über Bedarfe und Instrumente der Aus- und Weiterbildung, sowie über das praktische Anwendungsbeispiel der Aus- und Weiterbildungskooperation zwischen der LEAG und der Deutschen Bahn in Cottbus.
Timothy Fitschen gab zunächst einen Überblick über die zukünftigen wirtschaftlichen Wachstumsfelder der Kohleregionen, die u.a. im Bereich der Wasserstoffwirtschaft, der Bioökonomie, der Erneuerung der Industrie und der Gesundheitswirtschaft zu finden sind. Derzeit sind im Rheinischen Revier 9.000 Menschen direkt in der Kohlewirtschaft, und bis zu 18.000 indirekt bei den Zuliefererbetrieben beschäftigt. Dabei zeichnet sich die Branche durch eine hohe Gehaltsstruktur, ein breites Berufsspektrum, sowie durch ein hohes Qualifikationsniveau aus. Die Vielfalt der Berufe in der Kohlewirtschaft bietet eine große Chance für die Beschäftigten, auch mit dem Auslaufen der Kohle eine neue und adäquate Beschäftigung zu finden. Die Arbeitsagentur geht beispielsweise davon aus, dass sich rund 10 % der in der Kohlewirtschaft Beschäftigten zukünftig im Bereich der Bioökonomie wiederfinden könnten. Revierübergreifend bieten vor allem die Chemische Industrie, die Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, sowie die Erneuerbaren Energien große Beschäftigungspotenziale. Auf Grund des erhöhten Fachkräftebedarfes braucht es jedoch, zusätzlich zur Nutzung der Potenziale von Teilzeitbeschäftigten und Erwerbslosen, ein jährliches Wanderungssaldo von 400.000 Menschen, um die Erwerbstätigkeit auf einem stabilen Niveau zu halten und die Fachkräftebedarfe für die Transformation zu bedienen. Auch müssten Aus- und Weiterbildungsinstrumente viel individueller und flexibler auf Anforderungen der Unternehmen und Beschäftigten, z.B. durch modulare Teilqualifikationen, zugeschnitten sein. Die Fachkräftesicherung sei eine gemeinsame Aufgabe von Politik, Unternehmen und Netzwerkpartnern, auch die Einbindung von Gewerkschaften sei entscheidend für die Bewältigung des Strukturwandels.
Katja Müller und Kai Buchwald stellten mit der Aus- und Weiterbildungskooperation der LEAG und der DB ein Praxisbeispiel dafür vor, wie die Transformation aus Qualifizierungsperspektive konkret umgesetzt werden kann. Durch die Kooperation beider Unternehmen wolle man den Kohleausstieg „atmend“ gestalten, und setzt dafür insbesondere auf modulare Ausbildungsbausteine. Die Beschäftigten in der Kohleindustrie, das seien eben nicht nur „Kohlekumpel“, sondern auch Anlagenmechaniker*innen, Ingenieur*innen, Chemikant*innen oder Elektrotechniker*innen. Der Vorteil der dualen Ausbildung sei, dass sich die Grundqualifikationen nicht wesentlich von anderen Industriebetrieben unterscheiden, weshalb anhand von Teilqualifikationen relativ leicht auf einen bereits erworbenen Berufsabschluss aufgebaut werden könne. Ein Teilqualifizierungsmodul dauert in der Regel 5-6 Monate, teilweise reicht bereits ein Modul für die Anforderungen der neuen Jobs aus. Für die Arbeit im neuen ICE Instandhaltungswerk in Cottbus bedeutet dies beispielsweise in Zukunft, dass vor allem überfachliche Anforderungen, wie beispielsweise die Nutzung von Datenbrillen zur Schadenserfassung, erlernt werden müssten. Mit Blick auf die Gesamtperspektive im Strukturwandel brauche es in Deutschland einer schnelleren Entwicklung und Anerkennung neuer Berufe, die damit zusammenhängenden Änderung der Prüfungsordnungen durch IHK und Handwerkskammern dauere aktuell noch zu lange. Von Seiten der Politik erhofft man sich zudem die staatliche Förderung von Ausbildungskooperationen, damit mehr Unternehmen, vor allem Kleinere und Mittlere, in diesem Modell zusammenarbeiteten.
In der anschließenden Diskussion wurde insbesondere die Frage diskutiert, wie der Abwanderung von Fachkräften in einigen Revieren, sowie der fehlende Nachwuchs an Schulabgänger*innen begegnet werden kann. Die Kohleregionen bräuchten „Magnete“, die sowohl gut bezahlte und mitbestimmte Arbeitsplätze, als auch ein attraktives Lebensumfeld bieten, um dringend benötigte Fachkräfte anzuziehen. Das Geld dafür sei mit den Strukturstärkungsmitteln vorhanden, diese müssten nur für die richtigen Schwerpunkte, und unter Beteiligung der Menschen vor Ort eingesetzt werden.