Arbeits- und Fachkräftemangel, Ausbildung der Zukunft, Qualifikationsprofile in den Zukunftsbranchen, Halten und Gewinnen von Fachkräften: Das waren die zentralen Themen der zweiten digitalen Netzwerkveranstaltung der Revierwende am 8. November 2022. Rund 120 Teilnehmende, darunter zahlreichen Expert*innen und Praktiker*innen aus den Revieren und der Bundesebene diskutierten im Rahmen der dreistündigen Veranstaltung über die Fachkräftesituation der Kohleregionen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Nadine Lindner (Deutschlandradio Hauptstadtstudio).
Zu Beginn des Netzwerktreffens stellte Stefan Körzell (Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB) klar, dass die Beschäftigten vor dem Hintergrund der Energiekrise Sicherheit und Klarheit brauchen. In vielen Revieren, wie z.B. im Saarland werden Kraftwerke, die eigentlich durch Elektrolyseure ersetzt werden sollten, wieder hochgefahren, was mit Blick auf die Lebensplanung der betroffenen Beschäftigten für Verunsicherung sorge. Der beschleunigte Kohleausstieg im Rheinischen Revier erfordere zudem auch einen beschleunigten Strukturwandel, sowie ausreichend Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten. Nur so könnten in der angespannten Fachkräftesituation Beschäftigte vor Ort eine gute Perspektive und vor allem Planungssicherheit erhalten.
Wie müssen Aus- und Weiterbildungsinstrumente im Strukturwandel angepasst werden? Welche Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten werden zukünftig gebraucht? Welchen Beitrag müssen Unternehmen dabei in der Transformation leisten? Diese und weitere Fragen diskutierten Dr. Ramona Schröder (Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit), Dr. Anna Robra (Abteilungsleiterin Arbeitsmarktpolitik bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände), sowie Evelyn Räder (Abteilungsleiterin Arbeitsmarktpolitik beim DGB-Bundesvorstand) in der anschließenden Podiumsdiskussion.
Evelyn Räder betonte zu Beginn, dass es bundesweit über viele Branchen, Regionen und Berufe hinweg einen gravierenden Fachkräftemangel gibt. Daher müsse das gesamte Fachkräftepotenzial zu fairen Bedingungen genutzt und Arbeitslosigkeit verhindert werden. Die Kohleregionen als Strukturwandelregionen bieten einen hohen Anteil an gut ausgebildeten Fachkräften. Wenn es gelingt, diese durch Weiterbildung erfolgreich in Zukunftsbranchen zu entwickeln, sei das eine Blaupause für alle noch kommenden Transformationsprozesse.
Laut Anna Robra ist die zentrale Stellschraube zur Lösung des Arbeits- und Fachkräftemangels eine zielgerichtetere Wirtschafts- und Strukturpolitik in den Kohleregionen, die auch explizite eine direkte Unternehmensförderung zulässt. Auszubildenden müssten zudem auch langfristige berufliche Entwicklungsperspektiven außerhalb der Kohleunternehmen aufgezeigt werden. Das gehe nur im Netzwerk mit Unternehmen und anderen Akteuren. In diese Netzwerke müssten sich auch die Arbeitsagenturen einbringen und für ihre Unterstützungsangebote werben (z.B. Beratung im Erwerbsleben, oder regionale Weiterbildungsverbünde).
Aus Sicht von Ramona Schröder ist eine vorsorgende Strukturpolitik auch mit Blick auf die Fachkräftefrage entscheidend. In der Lausitz werden innerhalb der nächsten zehn Jahre rund 30 % der Beschäftigten in den Ruhestand gehen. Mit den Strukturmitteln des Bundes müsse aber gleichzeitig ein großer struktureller Beschäftigungsaufbau realisiert werden. Eine Aufgabe der Bundesagentur sei es daher, Menschen für die Lausitz zu gewinnen. Auch haben die Arbeitsagenturen Bautzen und Cottbus ein länderübergreifendes Lausitzteam zusammengestellt, um Unternehmen im Wirtschaftsraum aktiv ansprechen. Ein Grund dafür, dass Unternehmen in der Kohleindustrie aktuell weniger Weiterbildungsförderungen nutzten, sei der, dass diese in der aktuellen Energiekrise ganz besonders auf ihre Fachkräfte angewiesen sind.
Dass Weiterbildungsfördermöglichkeiten nicht vollständig genutzt werden, liegt laut Evelyn Räder auch an den geringen personellen Kapazitäten der Arbeitsagenturen. Bundesweit sind lediglich 600 Berufsberater der Bundesagentur für Arbeit (mit Ausbildung an der Hochschule der BA) für 155 Arbeitsagenturen zuständig. Im Bereich der Grundsicherung gebe es zudem auch finanziell noch viel Luft nach oben in Sachen Weiterbildungsförderung. Qualifizierung muss nachhaltig und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt relevant sein, daher sei das Mindeststundenkriterium von 120 Stunden grundsätzlich der richtige Weg. Ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung für Beschäftigte und Erwerbslose, sowie die Freistellung und ein Qualifizierungsgeld während der Weiterbildung, sind aus gewerkschaftlicher Sicht essenziell für eine höhere Weiterbildungsbeteiligung.
Im anschließenden zweiten Teil des Netzwerktreffens wurden revierübergreifende Fachkräftethemen diskutiert.
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Themenforum 2: „Kompass Weiterbildung: Welche Instrumente und Handlungsbedarfe gibt es?“