09.08.23
Allgemein

Lage der Strukturentwicklung - Bilanz nach drei Jahren Strukturstärkungsgesetz

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Drei Jahre nach Inkrafttreten des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen“ wollen wir Bilanz ziehen und werfen einen Blick auf die wichtigen Fragen: Wie werden die Kohlereviere im Strukturwandel unterstützt? Wer entscheidet? Sind die Gewerkschaften beteiligt? Entstehen durch die Förderung neue Arbeitsplätze? Wie komme ich an weiterführende Informationen? Ein Überblick.

Stand: 14. 08.23, Redaktion: Daniel Adelani, Layout/Design: Andreas Schulz (Karadesign)

 

Wie unterstützt der Bund die Kohlereviere?

Mit dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen (StStG) hat sich der Bund dazu verpflichtet, die Braunkohlereviere bis zum Jahr 2038 mit insgesamt 40 Mrd. Euro im Strukturwandel zu unterstützen. Zusätzlich werden die verbliebenen Steinkohlekraftwerksstandorte mit 1,09 Mrd. Euro und die ehemaligen Braunkohlereviere in den Landkreisen Helmstedt und Altenburger Land mit jeweils bis zu 90 Mio. Euro gefördert. Damit sollen die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des beschlossenen Kohleausstiegs abgefedert und neue Zukunftsperspektiven für die Regionen und ihre Beschäftigten eröffnet werden. Grundlage für das Gesetz waren die Beschlüsse der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (KWSB), in der sich der DGB und die Gewerkschaften IG BCE und ver.di erfolgreich für die soziale Absicherung der Beschäftigten, sowie für die finanzielle Unterstützung der Regionen eingesetzt haben.

 

Wie fließen die Strukturstärkungsmittel in die Reviere?

14 Mrd. Euro gehen über die betroffenen Bundesländer und deren Kommunen an Projekte, die dazu beitragen sollen, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen und zu erhalten sowie Standortbedingungen für Fachkräfte und Unternehmen verbessern sollen.

26 Mrd. Euro kommen über Förderprogramme des Bundes der Bildung, Wissenschaft, Forschung und der Infrastruktur (z.B. Schiene, Straßen, soziale Einrichtungen) zugute. Aber auch Investitionen in die Energiewende werden finanziert. Der Bund fördert zudem auch Vernetzungsprojekte, die zu einem ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen Strukturwandel beitragen sollen. Im Rahmen der STARK-Förderrichtlinie „Stärkung der Transformationsdynamik und Aufbruch in den Revieren und an den Kohlekraftwerkstandorten“ werden zahlreiche solcher Initiativen mit insgesamt jährlich 100 Mio. Euro gefördert. Dazu gehört beispielsweise auch das vom DGB initiierte Projekt REVIERWENDE.

1,09 Mrd. Euro fließen über die Länder an besonders betroffene Steinkohlestandorte, z.B. im Ruhrgebiet und im Saarland.  Darüber hinaus erhalten der Freistaat Thüringen für den Landkreis Altenburger Land und Niedersachsen für das ehemalige Braunkohlerevier im Landkreis Helmstedt jeweils bis zu 90 Millionen Euro.

Beginnend mit dem 30.06.2023 sollen die mit den Strukturstärkungsmitteln geförderten Projekte alle zwei Jahre durch die Wirtschaftsforschungsinstitute RWI (Essen) und IWH (Halle) im Auftrag der Bundesregierung evaluiert werden. Untersucht wird die Wirkung auf Wertschöpfung, Arbeitsmarktsituation und kommunalem Steueraufkommen in den Kohleregionen. Ein erster Zwischenbericht ist dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bereits übermittelt worden, dieser wird aller Voraussicht nach am 16. August 2023 veröffentlicht.

 

Welche Gremien sind bei der Auswahl der Projekte beteiligt?

Die Auswahl der Förderprojekte der Länder und Kommunen ist sehr unterschiedlich organisiert (siehe „aus den Revieren“): Grundsätzlich regeln die jeweiligen Länder (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Saarland) das Verfahren. Teilweise entscheiden die Landesregierungen und Kommunen allein über die Vergabe von Strukturhilfen. In manchen Kohleregionen gibt es Revier- oder Begleitausschüssen, in denen z.T. auch Gewerkschaften vertreten sind, jedoch oft ohne Stimmrecht. In Brandenburg gibt es ein sogenanntes Werkstattprinzip, aufgebaut nach thematischen Schwerpunkten. In allen fünf Brandenburger Werkstätten ist jeweils ein Mitglied mit gewerkschaftlichem Hintergrund mit Rede- und Stimmrecht vertreten. Projekte werden dabei im Konsens beschlossen.

Die Projektauswahl der Länder für die Steinkohlekraftwerksstandorte muss laut Vereinbarung von Bund und Ländern unter „Einbeziehung der Gemeinden und Gemeindeverbände, sowie von relevanten Partnern aus dem Kreis von Wissenschaft, Sozialpartnern und Kammern“ erfolgen.

Im Bund-Länder-Koordinierungsgremium entscheiden die Länder gemeinsam mit den Bundesressorts, welche Projektvorschläge für die Förderung des Bundes bewilligt und wie die Projekte insgesamt priorisiert werden. Außerdem kontrolliert das Gremium, ob die Strukturwandelprojekte – sowohl die des Bundes als auch die der Länder und Kommunen – den Förderbereichen, Zielen und Leitbildern entsprechen.

In seinen jährlichen Haushaltsberatungen gibt der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber die Strukturhilfen frei. Die Einbindung von Gewerkschaften im Koordinierungsgremium ist lediglich bei Bedarf und ausschließlich beratend vorgesehen. Die Protokolle der Beratungen behandelt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) als vertraulich und nicht öffentlich.

 

Welche Schwerpunkte setzt der Bund bei der Strukturförderung?

Bisher ist die Strukturförderung des Bundes in manchen Revieren noch sehr stark auf die Bereiche Forschung, Entwicklung und Verkehrsinfrastruktur ausgerichtet. Klar ist: Die Beschäftigten in den Kohleregionen benötigen (neben Forschungsinfrastruktur und einer guten Daseinsvorsorge) auch langfristige berufliche Perspektiven. Fördergelder müssen daher noch stärker dafür eingesetzt werden, Unternehmen und Beschäftigte im Wandel zu unterstützen und die Ansiedlung neuer Unternehmen mit guten Arbeitsplätzen zu begünstigen. Immerhin setzt der Bund auch einige Förderschwerpunkte, die auf Beschäftigung und Wertschöpfung abzielen:

Eines für die Strukturentwicklung und Beschäftigung besonders bedeutsames Projekt ist die Errichtung eines neuen Fahrzeuginstandhaltungswerkes der Deutschen Bahn in Cottbus. Bis 2026 sollen durch den Bau von zwei Wartungshallen 1.200 zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen, 500 davon bereits mit der Fertigstellung der ersten Wartungshalle im Jahr 2024. Ab diesem Jahr soll die große Instandhaltung für den ICE 4 ausschließlich in Cottbus stattfinden. Mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Energieversorger LEAG und der DB soll auch ein Beitrag zur Fachkräftesicherung in der Lausitz geleistet werden. So wird die Deutsche Bahn das derzeitige Ausbildungszentrum der LEAG in Jänschwalde ab dem Jahr 2025 übernehmen, mit weiteren Firmen betreiben und somit den Standort sichern. Die ersten Auszubildenden sind bereits in das bestehende Instandhaltungswerk gewechselt.

Weiterhin plant der Bund die Einrichtung branchenbezogener Ausbildungscluster. In diesen Zusammenschlüssen von Unternehmen, Gewerkschaften, Bildungsträgern und anderen lokalen Akteuren, können Teile der betrieblichen Ausbildung durchgeführt werden. Damit sollen Betriebe und Jugendliche besser zueinander finden sowie jene Qualifikationen erhalten, die für den Strukturwandel notwendig sind. Ziel ist es, mehr junge Menschen in den Kohleregionen eine berufliche Perspektive zu geben. Die Cluster werden in einem Ideenwettbewerb von einer Expertenjury (Bundeswirtschaftsministerium, Braunkohleländer, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Wissenschaft) ausgewählt, und werden voraussichtlich 2023 beginnen.

Eine Übersicht zu weiteren Strukturprojekten des Bundes finden Sie hier:

Informationsseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz

 

Wie unterstützt die Europäische Union die Kohlereviere?

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Um strukturschwache Regionen und solche, die unmittelbar vor einem tiefgreifenden Strukturwandel stehen, dabei zu unterstützen, haben sich die EU-Staaten auf einen „Green Deal“ (in Anlehnung an den US-amerikanischen New Deal der 1930er Jahre zur Abfederung der Weltwirtschaftskrise) geeinigt.

Ein Baustein dieses Green Deals ist der Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund, oder auch JTF). Dieser hat das Ziel, die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen des Wandels zur klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 zu bewältigen. Der JTF hat somit die Aufgabe, für einen Ausgleich regionaler wirtschaftlicher Ungleichheiten zu sorgen. Für die deutschen Braunkohleregionen, sowie das nördliche Ruhrgebiet, Chemnitz und die Uckermark stehen insgesamt 2,477 Mrd. Euro an JTF-Mitteln bereit, wovon allerdings mindestens 85 % auf die Mittel aus dem Strukturstärkungsgesetz angerechnet werden. Das bedeutet, dass die Länder NRW, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt einen Teil Ihrer Strukturstärkungsmittel aus dem JTF erhalten. Somit kommt durch den JTF kaum zusätzliches Geld in die Kohleregionen. Dadurch, dass diese Mittel aus einem Europäischen Strukturfonds kommen, ergeben sich immerhin ganz andere Fördermöglichkeiten, als dies das Strukturstärkungsgesetz erlaubt. Beispielsweise ist mit den JTF-Mitteln auch eine direkte Förderung für neue und bestehende Unternehmen möglich. Ein weiterer Vorteil der EU-Förderung ist, dass die Gewerkschaften über die Begleitausschüsse der Länder in jedem Fall ein Mitspracherecht bei der Verwendung der EU-Fonds haben. Dieses Mitspracherecht im Sinne der Beschäftigten haben sich die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren hart erkämpft. Die Bundesländer gestalten ihre Richtlinien zur Verwendung der JTF-Mittel höchst unterschiedlich. In Sachsen existieren beispielsweise mehrere Richtlinien nebeneinander, da die Gelder über verschiedene Ministerien ausgereicht werden.

 

Können mit dem Strukturstärkungsgesetz Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze direkt gefördert werden?

Nein, denn auf Grund des EU-Beihilferechts dürfen Unternehmen i.d.R. nicht direkt durch staatliche Subventionen (auch nicht durch Zinsvergünstigungen, Steuerbefreiungen, Bürgschaften und staatliche Beteiligungen) unterstützt werden. Es gibt jedoch Wege, Arbeitsplätze z.B. durch die Erschließung von Gewerbegebieten indirekt zu schaffen und zu erhalten. Innerhalb des Strukturstärkungsgesetzes besteht zudem für kommunale Unternehmen, wie z.B. Stadtwerke, die Möglichkeit, etwa durch den Bau neuer Leitungen, von der Förderung zu profitieren.

Hinter dem Beihilfeverbot steckt die Sorge, dass finanzielle Zuwendungen eines EU- Mitgliedstaates für ein heimisches Unternehmen oder einen Wirtschaftszweig zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber dieser Branche in einem anderen Mitgliedstaat führen und damit den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen könnten. Es gibt jedoch auch Ausnahmeregeln vom Beihilfeverbot, wie z.B. in der Corona-Krise oder aktuell im Ukrainekrieg. Aber auch die Europäischen Strukturfonds (EFRE, ESF+, aber auch der JTF), welche benachteiligten Regionen zugutekommen, lassen durchaus direkte Unternehmensförderung zu. Nun sind nicht alle Kohleregionen auch benachteiligte Regionen, können jedoch durch falsche wirtschaftspolitische Akzente im Verlaufe dieses Prozesses zu solchen werden. Dazu darf es nicht kommen.

Mit Blick auf den Kohleausstieg und die anstehenden tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen braucht die Förderung über das Strukturstärkungsgesetz die Möglichkeit, Unternehmen direkt zu fördern, um zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den Revieren beizutragen. Diese Möglichkeit könnte sich aktuell durch den von der EU-Kommission im März 2023 verabschiedeten und bis Ende 2025 befristeten Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF) ergeben, wonach staatliche Beihilfen für Grüne Technologien (wie z.B. Wasserstoff) möglich wären. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) prüft derzeit, inwieweit man den neuen Beihilferahmen nutzen könnte, um auch Strukturstärkungsmittel für die direkte Unternehmensförderung einzusetzen. Dabei ist es jedoch aus gewerkschaftlicher Sicht zentral, dass nur solche Unternehmen mit dem vollen Fördersatz unterstützt werden, die Gute Arbeit schaffen und erhalten. Dazu gehören tariflich gesicherte oder tarifgleiche Bezahlung sowie dauerhafte Beschäftigungssicherung und betriebliche Mitbestimmung.

 

Aus den Revieren

Wieviel Strukturhilfen stehen für die einzelnen Reviere zur Verfügung? Wie werden die Strukturmittel vergeben und welche Gremien sind daran beteiligt?  Was soll zukünftig entstehen, welche Überlegungen gibt es für die Reviere? Wofür wird das Geld derzeit ausgegeben? Ein Überblick.

Lausitzer Revier

Mitteldeutsches Revier

Rheinisches Revier

Ruhrgebiet

 

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